Bild: NRW SPD

Kutschaty: Wer vertritt die Interessen der Unvertretenen?

Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter im Land sind nach den Krisen der vergangenen Monate unter Druck. Thomas Kutschaty schreibt in einem Gastbeitrag, der zuerst für die „Westdeutsche Zeitung“ erschien, warum die Politik diese Interessen besser berücksichtigen muss.

 

https://www.nrwspd.de/2022/12/23/wer-vertritt-die-interessen-der-unvertretenen/

Die Lichter eines Flughafens in der Nacht haben etwas Faszinierendes. Bei ihrem Anblick gerät man leicht ins Nachdenken und Schwärmen. Sie leuchten für die große weite Welt. So weit, so schön – doch wer von uns denkt in solchen Momenten eigentlich an die Menschen, die die Lichter zum Leuchten bringen?

Ihr beeindruckender Einsatz ist oft unsichtbar. Das liegt daran, dass diese Arbeit dann erledigt wird, wenn die Flugzeuge auf dem Boden stehen und im Normalfall Crew sowie Passagiere alle im Bett sind: in der Nacht. Die Flughafenarbeiter teilen damit das Schicksal der Anonymität mit mehreren hunderttausend Menschen in Nordrhein-Westfalen, die eben dann arbeiten, wenn alle anderen schlafen. Dabei werden in der Nachtarbeit zentrale Aufgaben unserer Gesellschaft verrichtet. Sie fällt dort an, wo Menschen in Not sind, man sich um andere kümmert, die Produktion nicht stillstehen darf, Sicherheit organisiert oder für alle anderen der Start in den Tag vorbereitet wird.

Wir reden viel zu wenig darüber. Und auch in den öffentlichen Debatten liest man wenig über die Herausforderungen der Menschen, die nachts arbeiten. Wer zu der Zeit arbeitet, muss am Tag Schlaf nachholen und sich um Familie und Freunde kümmern. Da bleibt nicht viel Zeit für andere Dinge wie Parteipolitik oder Gewerkschaftskonferenzen. Ich jedenfalls kenne nur sehr wenige Kolleginnen und Kollegen in der Politik, die regelmäßig nachts gearbeitet haben.

Ich kenne aber auch nur sehr wenige, die auf einer Baustelle oder an der Kasse gearbeitet haben. Neben denen, die auf Nachtschicht sind, gibt es also noch eine ganz Reihe von Berufsgruppen, die unterrepräsentiert sind. Für unsere Demokratie stellt sich somit die Frage: Wer vertritt eigentlich die Unvertretenen?

Wenn man die Probleme der Bevölkerung in unserem Land angehen will, muss diese Frage einen noch höheren Stellenwert als bislang bekommen. Denn dort, wo Anonymität herrscht, bekommen viele Menschen nicht das, was ihnen zusteht.

Ich bin Sozialdemokrat. Gerade meine Partei ist seit jeher aufgefordert, alles dafür zu tun, dass Arbeiterinnen und Arbeiter ihre Interessen durchsetzen können. Dafür braucht es gesetzliche, finanzielle und zeitliche Voraussetzungen, die mit der Gegenwart mithalten. In Zeiten, in denen die Herausforderungen immer größer werden, gilt dies noch viel mehr als sonst.

Sich bei ernsthaften Argumenten gegenseitig ernst zu nehmen, ist für unser demokratisches Miteinander eh eine Grundsätzlichkeit. Doch die Ausgangsfrage geht tiefer.

Wer vertritt nun also die Arbeiterinnen und Arbeiter?

Meine Antwort: Sie sind es nach wie vor selbst. Wir in der Politik, in den Parteien, Verbänden, Gewerkschaften, Vereinen und Kirchen sind allerdings mehr als bislang aufgefordert, neue Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ihre Stimmen in den öffentlichen Debatten wieder stärker wahrgenommen werden – sei es gesetzlich, finanziell, organisatorisch oder zeitlich.

Denn hinter jedem „Licht“, das leuchtet, steht eine Person, die mit ihrer Arbeit dafür sorgt.

Weiter: Link oben