Ist ein Mitgliederentscheid über einen Koalitionsvertrag zulässig?
Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG schreibt den Parteien innerparteiliche Demokratie vor. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) betont zudem, dass Parteimitglieder nicht von der (innerparteilichen) Willensbildung ausgeschlossen werden dürfen und der Aufbau der Partei nach dem Bottom-Up-Prinzip (von unten nach oben) zu erfolgen hat.
Gleichzeitig garantiert Art. 21 GG den Parteien die Freiheit, ihre Satzung und Organisation selbst zu gestalten. Diese Gestaltungsfreiheit (Parteiautonomie) ist Ausdruck der staatlichen Neutralität gegenüber den Parteien. Hier ist es den Parteien gestattet, im Rahmen ihrer Satzung einen Mitgliederentscheid zu verankern.
Das Parteiengesetz (PartG) macht hier keine Vorgaben über die Ausgestaltung. Es spricht somit weder das PartG noch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) dagegen, Parteien über die Bildung einer Koalition im Mitgliederentscheid abstimmen zu lassen.
Ist die Freiheit des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) gewährleistet?
Das Ergebnis einer Mitgliederbefragung mag eine stärkere faktische Verbindlichkeit entfalten, unterscheidet sich formal-rechtlich jedoch nicht von einem Parteitagsbeschluss. Letztlich hat jeder einzelne Abgeordnete im Rahmen seines freien Mandats, unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit, seine Entscheidungen nur gegenüber seinem Gewissen zu verantworten. Laut Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ist er als Mandatsträger an keine Weisungen der Partei oder der Fraktionen „gleich in welcher Form sie ergangen oder als Weisung deutbar sein mögen” gebunden.
Werden durch einen Mitgliederentscheid die Grundsätze unserer Demokratie (Art. 20 Abs. 2 GG) und der Wahlgleichheit (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) verletzt?
Welche Partei welche Koalition eingeht, ist nicht Gegenstand einer Bundestagswahl, sondern liegt im politischen Ermessen der einzelnen Parteien. Bei der Bundestagswahl bestimmen die Wähler/innen die Zusammensetzung des Parlaments und wählen keine bestimmte Regierung(skoalition). Da die Zusammensetzung des Bundestages auch mittelbar nicht durch den Mitgliederentscheid beeinflusst wird und dieser keine (rechts)bindende Wirkung für die Abgeordneten im Bundestag hat, ist auch die Teilnahme von nicht zum Bundestag wahlberechtigten Parteimitgliedern (Mitglieder ohne Wahlrecht/Ausländer) unproblematisch.