„Der Abschied fällt schwer“

Herr Effertz, Sie sind seit 36 Jahren in der Kommunalpolitik tätig, davon elf Jahre als hauptamtlicher Bürgermeister. Fällt Ihnen der Abschied schwer?

Ja, ich war seit 1979 in der Kommunapolitik, und das nicht nur als hauptamtlicher Bürgermeister, sondern auch 21 Jahre als Fraktionsvorsitzender und stellvertretender Fraktionsvorsitzender, auch im Kreis. Eine Zeit lang war ich auch Vorsitzender im Braunkohlenausschuss. Damals habe ich sogar überlegt, als Profi ganz in die Politik zu gehen. Davon habe ich aber aus familiären Gründen wieder Abstand genommen, denn bei den meisten, die ich kannte, haben die Ehen das nicht überlebt. Der Job ist ziemlich zeitintensiv. Nach so langer Zeit – das ist länger als eine Generation – fällt einem der Abschied schwer. Das ist wie bei einem Kind, das man aufzieht und heranwachsen sieht und dann ziehen lassen muss. Aber ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich gehe davon aus, dass ich dann mehr Zeit für die Familie habe. Der Abend gehört der Familie – das war früher ein Gerücht.

Was hat sich in den letzten Jahrzehnten in der Elsdorfer Politik geändert?

Am Anfang hatten wir ein Zwei-Parteien-System, danach hatten wir erst drei und dann vier Parteien im Rat. Jetzt haben wir ein Mehr-Parteien-System.Das führt dazu, dass die Entscheidungen, die der Rat treffen soll, nicht mehr kalkulierbar sind. Als Bürgermeister habe ich mich immer am Bürger und an der Sache selbst orientiert. Die Schullandschaft in Elsdorf verändert sich in diesen Tagen. Hätten wir die Gesamtschule nicht eingeführt, dann hätten wir in Elsdorf keine Schule mehr, bis auf die Grundschulen. Die Realschule und die Hauptschule hätten schließen müssen. Im Moment haben wir ein schweres Problem. Die Verwaltung musste vorschlagen, den Sonderschulverband Bedburg/Elsdorf aufzulösen und die Schulen (Michael-Ende-Schule in Berrendorf und Martin-Luther-Schule in Elsdorf, die Red.) zu schließen. Das hat auch zu Protesten aus der Bevölkerung geführt. Das liegt allerdings nicht im Verantwortungsbereich der Gemeinden, sondern ist eine gesetzliche Vorgabe, die von oben kommt. Die Bezirksregierung muss das jetzt durchsetzen. Die Inklusion ist vom Grundsatz her eine gute Idee. Nur die Form, wie sie jetzt von oben oktroyiert wird, ist nicht gut. Es sind alle Sonderschulen im ganzen Rhein-Erft-Kreis betroffen.

Gab es in Ihrer Amtszeit als Bürgermeister ein Ereignis, das für Sie besondere Bedeutung hatte?

Die Antwort ist relativ einfach. Die Stadtwerdung war der Höhepunkt der Entwicklung. (Während Wilfried Effertz das sagt, zieht er aus seinen Unterlagen die von NRW-Innenminister Ralf Jäger unterzeichnete Urkunde zur Verleihung der Stadtrechte aus seinen Unterlagen und zeigt diese vor.) Das hat natürlich auch Konsequenzen gehabt. Wir haben jetzt mehr Verantwortung als Baugenehmigungsbehörde und im Jugendamt, zudem haben wir ein eigenes Rechnungsprüfungsamt bekommen und sind Straßenverkehrsbehörde.

Was hat der Bürger davon?

Der Bürgerservice hat sich verbessert. Baugenehmigungen können wir jetzt selbst erteilen. Wenn früher der Sachbearbeiter beim Kreis krank war, dann hatten Sie darauf keinen Einfluss und mussten warten. Wir haben jetzt in Giesendorf in der alten Schule ein Zentrum mit Psychologen eingerichtet zur Erziehungsberatung. Familienberatung sollte man ernst nehmen.

Kaum eine Stadt ist vom Tagebau Hambach so stark betroffen wie Elsdorf. Wie gehen Sie damit um?

Wir haben zunächst einmal erreicht, dass es kein Hambach II gibt. Damals stand der Tagebau außer Zweifel. Heute haben wir die Energiewende, aber keine Kompensation für den Bürger: Volle Belastung für alle. Die Flächen für den Tagebau stehen nicht für Gewerbeansiedlung zur Verfügung und wir haben einen Autobahnanschluss verloren. Und das Wachstum, das wir hatten, ist im selben Moment eingebrochen, als die Umsiedlung begann. Das Einwohnerwachstum bekam ein Minus, und das hatte nichts mit Demographie zu tun.

Das heißt, Elsdorf musste für den Tagebau Opfer bringen?

Die finanzielle Lage von Elsdorf war damals nicht gut, aber Sie können keine neuen Gewerbegebiete ausweisen, da gerät man in eine Spirale, die man mit aller Gewalt durchbrechen muss. Das Land hilft einem nicht. Das war das erste Sonderopfer, das wir im Interesse der Allgemeinheit bringen mussten. Jetzt kommt das zweite Sonderopfer. Wer saniert denn die Flächen? Wieder der Bürger.

Wie sehen Sie die Zukunft von RWE?

Wenn das so weiter geht, dann wird RWE die Energiewende nicht überleben und filetiert werden. Die Mittel, die in den Bilanzen ausgewiesen sind, um die Rekultivierung des Tagebaus vorzunehmen, die dürften dann nicht mehr im Markt umsetzbar sein. Dazu müsste das Land Farbe bekennen, dass wir die Sicherheit haben, dass die Rekultivierung umgesetzt wird. Ich werde dazu einen Brief an das Land schreiben.
Wir haben in Elsdorf ein weiteres Standbein gehabt, das hat mit Zucker zu tun. Der Zuckermarkt ist in Unordnung und die Quoten werden aufgehoben. Da bezahlen wir nur noch – und das ist das nächste Sonderopfer. Da machen Sie mal dem Bürger klar, dass demnächst die Gebühren und die Hebesätze für die Steuern erhöht werden müssen.

Sehen Sie denn noch Perspektiven für neues Gewerbe in Elsdorf?

Wenn Sie denn Flächen haben, dann kommt wieder die Landesregierung ins Spiel. Das nennt sich "Allianz für die Fläche" und alle Kommunen im Rhein-Erft-Kreis sind dagegen, weil wir überwiegend nur noch Flächen im Angebot haben, die nicht in unserem Eigentum stehen oder weil sie als Naturschutzgebiete nicht zur Verfügung stehen. Also – Wachstum haben wir demnach demnächt null. Ich kann meinem Nachfolger nur anraten, auch eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Landesregierung nicht zu scheuen.

Wie sehen Sie die Entwicklung im Einzelhandel?

Der Einzelhandel hat vielfach ein Generationenproblem. Die kleineren Läden sind oft nicht am Markt konkurrenzfähig. Für die Älteren reicht es noch mit der Stammkundschaft, aber wenn die zumachen, dann wird es für den Nachfolger schwierig. Fachhandel lebt von der Beratung, dann hat er nach wie vor hervorragende Marktchancen.

Elsdorf hat ein schönes Freibad und ein geschlossenes Hallenbad. Wie geht es nach dem schweren Wasserrohrbruch weiter mit dem Hallenbad in Berrendorf?

Das Hallenbad in Berrendorf wurde an eine Stelle gesetzt, wo es sich überhaupt nicht weiterentwickeln konnte. Es hatte wohl den Vorteil, dass es in der Nähe zu einer Schule gebaut wurde. Das Bad hat seine Dienste getan, aber irgendwann laufen die Reparaturen an. Wir sind versichert – also den alten Zustand bekommen wir wieder. Aber wenn das Becken aus Beton untersucht wird und die Decke, dann stellt sich die Frage nach den Gesamtinvestitionen. Meine Prognose lautet, dass es nicht wieder in Betrieb gehen wird.

Herr Effertz, wenn Sie in den Ruhestand gehen, dann haben Sie viel mehr Freizeit. Wie wollen Sie Ihren Ruhestand gestalten?

Meine Frau hat schon gesagt, dass sie die Haushaltskompetenz hat und ich soll mich aus der Küche fernhalten. Das habe ich ihr auch versprochen. Man kann das Ferienhäuschen pflegen oder sich im Vereinsleben engagieren, etwa im Museums- oder Geschichtsverein. Wir waren auch immer im Karneval aktiv. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ich im begrenzten Umfang unterrichte.

Das Gespräch mit Wilfried Effertz führten Hanno Kühn, Georg Zingsheim und Mario Fischer-Knop.