Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion, Dierk Timm, zur Verabschiedung des Haushaltes 2015/2016

In diesen 40 Jahren hat sich im heutigen Rhein-Erft-Kreis viel bewegt. Wir sind zu einem Kreis zusammengewachsen. Hierfür gilt mein Dank allen Kreistagsabgeordneten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung in diesen 40 Jahren, aber vor allem auch den ehrenamtlichen Landräten dieser Jahre, insbesondere Bernhard Worms, der ja einer der Väter des Köln-Gesetzes war, und Klaus Lennartz, der aus dem Erftkreis eine Marke gemacht hat.

Den Bürgerinnen und Bürgern des Rhein-Erft-Kreises waren immer die Verlässlichkeit der Politik und das Miteinander der Handelnden wichtig. Nur so konnte sich der Kreis wirtschaftlich entwickeln und erreicht werden, dass die Bürger sich hier in der Region wohl fühlen.

Aber ist diese Verlässlichkeit heute noch gegeben? Ist es ein konstruktives Miteinander der Parteien und Fraktionen hier im Kreistag? Wird hier noch, wie das früher der Fall war, in der politischen Auseinandersetzung darum gerungen, dass wir ein optimales Ergebnis für die Bürger erreichen?

Ich glaube nein. Es geht nicht mehr um das beste Ergebnis. Es geht nur noch darum, wer hat den Antrag gestellt, ist der Briefkopf rot, grün oder schwarz. Reflexartig wird von den Mehrheitsfraktionen hier im Haus ein Antrag nur deshalb abgelehnt, weil er von der SPD kommt.

Und das ist nicht gut für die politische Kultur hier im Haus und das ist nicht gut für die Bürgerinnen und Bürger im Rhein-Erft-Kreis!

Politik sollte immer das Ringen um die beste Lösung sein und nicht nur der Machterhalt einer Gruppe.

Ich will das Problem der CDU, Grünen und FDP mit der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit und dem fehlenden Miteinander an ein paar Beispielen deutlich machen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktionen, Sie haben den Städten im letzten Jahr mit der Verabschiedung des Haushaltes versprochen, dass die Kreisumlage im Jahr 2015 auf 42,26 % steigt. Aber, wie hat schon Adenauer gesagt: Was interessiert mich das Geschwätz von gestern.

Sie wollten heute zunächst einen Kreisumlagesatz von 42,69 % verabschieden. „Damit“, so schreiben die Bürgermeister in ihrer Stellungnahme, „würde die von den kreisangehörigen Städten … zu entrichtende Zahllast… um 34 Mio. € oder 13,6% … steigen.“ Dies wirkt für die Städte „erdrosselnd“, wie sie weiter schreiben. Gestern haben Sie dann angekündigt, die Erhöhung etwas geringer ausfallen zu lassen, auf jetzt 42,6%. Das bedeutet zunächst eine rund 0,5 Mio. Euro geringere Belastung für die Städte. Gleichzeitig kündigen Sie aber an, in 2016 nicht einen Hebesatz von 43,74%, sondern gleich 43,91% nehmen zu wollen. Und das sind dann nochmal fast 1 Mio. Euro oben drauf!

Und das machen Sie nicht, weil die Einnahmen des Kreises einbrechen, nein, das Gegenteil ist der Fall: Nach Abzug der Landschaftsumlage und der Schlüsselzuweisungen bleibt beim Rhein-Erft-Kreis ein kräftiger Zuwachs übrig. Zusätzlich bringt die Kostenübernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund im Vergleich zu 2013 rund 13,7 Mio. € jährlich. Trotzdem wollen Sie die Städte noch stärker zur Kasse bitten. Das ist unredlich!

Und diese Erhöhung ist auch unnötig: Alleine die beiden gestern bekannt gewordenen Entscheidungen machen diese Erhöhung unnötig: Erstens hat die Kreissparkasse Köln bekannt gegeben, dass die Gewinnausschüttung für den Kreis um rund 1,7 Mio. € ansteigt. Abzüglich Steuern und Abtretungen an Brühl und Hürth bleiben etwa 1,3 Mio. Euro mehr als im Haushaltsentwurf vorgesehen! Diese Entwicklung haben Sie in der Tischvorlage zum Haushalt jetzt berücksichtigt.

Zweitens: Das Bundessozialgericht hat entscheide, dass den Kommunen rund 70 Mio. € aus dem Bildungs- und Teilhabepakt erstattet werden. Damit stehen dem Kreis weitere 2,2 Mio. € zur Verfügung.
Damit ist diese Kreisumlageerhöhung völlig überflüssig!

Der Kreistag hätte außerdem die Möglichkeit gehabt, mehr Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Städte zu nehmen. Auch auf der Ausgabenseite ist erhebliches Einsparpotential vorhanden. CDU und Grüne nutzen es aber nicht.

Stattdessen wird weiterhin die Fortsetzung der seit der Gründung 2002 dauernden „Anschubfinanzierung“ für den Tourismusverein oder die erhöhte Verlustabdeckung des EKOZ beschlossen. Die SPD hat jeweils Vorschläge eingebracht, wie wir diese Einrichtungen auf andere Füße stellen könnten, ohne sie zu zerschlagen. Dies war von CDU und Grünen nicht gewollt.

Einsparen hätte man auch das 200 T€ teure Orga-Gutachten können. Hier im Hause sind so viele gute und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; dieses Potential hätte man nutzen können und nach Auffassung der SPD nutzen sollen. Eine andere große Behörde hat es hausintern mit seinen Mitarbeitern geschafft gute Einspar- und Optimierungsvorschläge zu erarbeiten und umzusetzen. Wir machen hier nur die Gutachter reich und die Städte mit der erhöhten Kreisumlage arm.

Und hier kann ich nur sagen: Sie haben mit dem Haushalt 2014 den Städten ein Versprechen über die Höhe der Kreisumlage gegeben und, wenn sie dem vorliegenden Haushalt mit der Umlageerhöhung, zustimmen. Und dieses Versprechen brechen Sie. Versprochen – gebrochen.

Die Städte, die ihre Haushalte im Vertrauen auf den Kreis schon verabschiedet haben, ich nenne hier beispielhaft meine Heimatstadt Pulheim, müssen jetzt in Nachtragshaushalten die zusätzlichen Mittel für die, wie wir meinen, unnötig erhöhte Kreisumlage finanzieren. Hier wird die eigene Unentschlossenheit auf dem Rücken der Städte ausgetragen. Das ist nicht verlässlich, das ist nur der einfachste Weg. Lade ich doch meine Probleme einfach bei den anderen ab. So geht man nicht miteinander um.

Verlässlich sollten wir auch bei der Schulsozialarbeit sein. Wir sind uns quer durch alle Fraktionen in den letzten Jahren einig, dass die Schulsozialarbeiter eine wichtige Arbeit leisten. Nur bei der Finanzierung gibt es Streit. Die einen sagen, dass muss weiterhin der Bund bezahlen. Andere sagen, dass ist Schulangelegenheit, somit ist es vom Land zu finanzieren. Der Bund sagt, das ist doch eine kommunale Aufgabe, wir haben die Städte entlastet. Also sollen es die Städte zahlen. Ich sage: Das ist eine wichtige Aufgabe und wir müssen hier zusammenstehen und diese Aufgabe gemeinsam stemmen. Ich bin deshalb der rot-grünen Landesregierung dankbar, dass sie über ihren Schatten gesprungen ist und die Finanzierung unter Beteiligung der Kommunen mit einem Eigenanteil sichergestellt hat. Allerdings nur für die nächsten drei Jahre. Und hier sage ich für die SPD ganz klar: Der Kreis darf sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen. Stellen permanent zu befristen, mit der Folge von häufigem Personalwechsel, verhindert den Aufbau kontinuierlicher Arbeit und guter Strukturen. Das wird der Bedeutung der wichtigen Aufgabe nicht gerecht. Wir wollen die Schulsozialarbeit auch über 2017 hinaus dauerhaft sichern!

Wir müssen mehr an einem Strang ziehen. Der Kreis und die Städte und die Menschen im Kreis. Gemeinsam ist man stärker und kann die Herausforderungen besser meistern. In vielen Bereichen sitzen wir schon an einem Tisch. Beispielhaft bei der Frage, wie die Förderschullandschaft im Kreis zukünftig organisiert werden kann. Und das ist gut so!

Bei den für die Berufsschülerinnen und Berufsschüler im Kreis äußerst wichtigen Projekt des Neubaus der Berufskollegs in Bergheim sind die entscheidenden Fragen nach wie vor nicht geklärt: Wollen Sie ein zweckmäßiges neues Gebäude an einem Standort, so wie es von der Schulleitung deutlich gefordert wird? Oder setzen Sie anstatt der schulisch und städtebaulich sinnvollen Komplettlösung wie der Landrat in seiner Verwaltungsvorlage auf Stückwerk? Setzen Sie auf die ausweislich des Gutachters wirtschaftlich sinnvollste Lösung, mit der wir dank günstiger Kommunalkredite rund 0,5 Mio. Euro sparen, oder setzen Sie weiter auf Ihren Marketing-Gag der Schuldenfreiheit?

Die SPD-Fraktion hat sich klar positioniert: Wir wollen den kompletten Neubau, und wir wollen die wirtschaftlichste Lösung bei der Finanzierung. Das haben wir im Kreisausschuss auch beantragt. Wir sind entscheidungsreif, an uns liegt es nicht, dass der Punkt heute von der Tagesordnung genommen wurde. Ich kann nur hoffen, dass die Fraktionen von CDU, Grünen und FDP sich unserer Meinung anschließen.

Falls nicht, hätte die von CDU, Grünen und FDP in den letzten Jahren proklamierte Schuldenfreiheit ein Preisschild. Fast ein halbe Million Euro ist Ihnen die angebliche Schuldenfreiheit dann wert! Der Neubau des Berufskollegs Bergheim lässt sich am günstigsten mit Kommunalkrediten finanzieren. Aber bei Ihrer Schuldenfreiheit geht es ja nicht um finanzpolitische Verantwortung, sondern nur um Marketing. Die Fakten liegen schwarz auf weiß auf dem Tisch: Ohne Kommunalkredite handeln Sie unwirtschaftlich!

Kommen wir zu einem anderen Kapitel der „Glaubwürdigkeit“ und der „guten Zusammenarbeit“ hier im Kreistag.

Nachdem über Jahre der Bedarf an höheren Unterhaltungsmitteln für die Kreisstraßen und Radwege geleugnet wurde, finden sie sich diesmal im Kreishaushalt wieder. Die SPD sagt seit Jahren: Sparen am Infrastrukturunterhalt rächt sich bitter, denn dann wird es irgendwann richtig teuer.

Aber unter dem Mantra der Schuldenfreiheit leidet nicht nur die Infrastruktur, sondern auch Ihre Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung nimmt Schaden – besonders dann, wenn Bürgerinnen und Bürger in ihrer Freizeit auf Ihre Anforderung hin, Pläne und Ideen erarbeiten. Und diese Bürger müssen dann erleben, dass die Umsetzung von Jahr zu Jahr verschoben wird. Einige Beispiele: Die Bürgerwerkstatt in Brauweiler / Glessen wurde 2008 durchgeführt. Die in Gleuel 2007. Und die in Stommeln 2006. Es darf doch nicht sein, dass 10 Jahre ins Land gehen, bis aus den Ergebnissen von Bürgerwerkstätten endlich Realität wird!

Und genau dasselbe droht bei der Umsetzung des Nahverkehrsplanes im Busbereich. Sie beteiligen die Bürger mit Haushaltsbefragungen, der Landrat ruft zur Beteiligung auf extra eingerichteten Internetseiten auf – die Bürger beteiligen sich gut. Sie machen gute Vorschläge. Und es wird nichts passieren. Nicht nur, dass sich die Verabschiedung des NVP immer weiter verzögert, nein, Sie stellen auch kein Geld für die ersten wichtigen Maßnahmen der Umsetzung zur Verfügung. Die Glaubwürdigkeit der Kreispolitik geht verloren!

Das zeigt auch das kleine Thema „Lärmschutz an der K25 in Hürth“. Im Hürther Stadtrat fordert die CDU mit großem Getöse, endlich lärmreduzierende Maßnahmen einzuleiten – und im Kreistag stimmen dieselben CDU-Leute dagegen. Glaubwürdig wird die Politik so nicht.

Aber beim Thema S-Bahn haben Sie ja Gott sei Dank noch die Kurve bekommen. Die SPD hat den guten und richtigen Antrag gestellt, Geld für eine Machbarkeitsuntersuchung für die Strecke von Köln über Pulheim nach Mönchengladbach zur Verfügung zu stellen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, Grünen und FDP, haben erkannt, dass das ein vernünftiger Antrag ist. Das Problem nur: Er war auf dem falschen Briefpapier gestellt. Was nur machen? Zustimmen können Sie dem roten Antrag ja nicht. Aber Hilfe naht in Form der Verwaltung. Im Veränderungsdienst tauchen plötzlich und richtigerweise die Gelder für die Machbarkeitsstudie auf. Und so waren wir uns in der Sache einig und Sie brauchten nicht einem SPD-Antrag zustimmen.

Ich biete hier ausdrücklich an, dass die SPD-Fraktion und auch die sozialdemokratischen Landtags- und Bundestagsabgeordneten bei der Umsetzung von Projekten, nicht nur Infrastrukturprojekten, mit allen demokratischen Kräften hier im Kreis zusammen arbeiten werden. Uns geht es um die Verbesserung der Lebensgrundlagen für die Bürgerinnen und Bürger hier im Kreis. Uns geht es nicht um Parteipolitik!

Das gilt auch für die wichtige Aufgabe der Bewältigung des Strukturwandels hier in der Region. Dabei geht es um die Zukunft des Rhein-Erft-Kreises und um die Zukunft vieler Arbeitsplätze hier in der Region. Wir müssen gemeinsam die Strukturen der Innovationsregion Rheinisches Revier durch konkrete Projekte mit Leben füllen. Es ist die Aufgabe des Kreises und der Städte sich aktiv an diesem wichtigen Prozess zu beteiligen. Wir freuen uns, dass die Anträge der SPD zu den Themen Koordinierung des Breitbandausbaues und zur Durchführung einer Konferenz zu den Chancen und Risiken des Digitalen Wandels eine Mehrheit gefunden haben. Das sind Zukunftsthemen, bei denen wir als Kreis nicht abgehängt werden dürfen, sondern Vorreiter sein müssen.

Wir müssen das Know-How der vielen Firmen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Energiesektor nutzen. Ebenso die exzellente Forschungslandschaft hier in der Region. Wir wollen die Wertschöpfungskette der Braunkohle mit der Nutzung von Wärmepotentialen oder auch der stofflichen Nutzung verlängern. Die Nutzung von virtuellen Kraftwerken, von Speichertechnologien oder die stärkere Nutzung von regenerativen Energien oder auch ein Klimaschutzkonzept hier im Rhein-Erft-Kreis müssen umgesetzt werden. Auch kann ich mir vorstellen, dass wir der erste Standort europaweit werden, an dem die komplette Busflotte des ÖPNV mit Wasserstoff betrieben wird.

Solche Projekte schaffen wir nur in einem politischen Diskurs mit dem Ziel gemeinsam den Rhein-Erft-Kreis weiter zu entwickeln. Dazu bieten wir die Mitarbeit und die Unterstützung der SPD an. Nur so kann auch die Politik im Kreis glaubwürdig handeln.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

Vor 40 Jahre haben unsere Vorgänger gemeinschaftlich die Entscheidung zur Gründung des Erftkreises getragen. In diesen Jahren sind viele zukunftsweisende Entscheidungen intensiv diskutiert worden und dann mit breiter Mehrheit hier im Hause verabschiedet worden.

Heute können wir dem Doppelhaushalt 2015/2016 nicht zustimmen. Ein Miteinander -vor allem mit den Städten- können wir nicht erkennen. Hier hätten wir uns mehr Augenmaß gewünscht und mehr Solidarität mit den kreisangehörigen Städten.

Zukünftig hoffen wir, dass CDU, Grüne und FDP wieder mehr an einem Miteinander orientiert sind. Einem gemeinsamen Ringen um die besten Lösungen für den Kreis. Im Einvernehmen mit den kreisangehörigen Städten und zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger im Rhein-Erft-Kreis.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!
Glück auf !