„Für uns drei war das eine Gewissensentscheidung“

Guido van den Berg ist gemeinhin als Politiker bekannt, der gut und gerne redet. Beim außerordentlichen SPD-Kreisparteitag am Samstag in der Martinus-Halle in Bedburg-Kaster allerdings versagte dem sozialdemokratischen Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten mitten in seiner Grundsatzrede fast die Stimme, und man hatte kurzzeitig sogar hatte den Eindruck, der gestandene Genosse kämpfe mit den Tränen. Van den Berg ließ sich ein Glas Wasser bringen, nutzte die kleine Pause, um sich zu sammeln, und fing sich alsbald auch wieder.

Eines war dennoch nicht zu übersehen: Ganz absehen davon, dass er das Vorhaben der rot-grünen Landesregierung, teilweise auf den vierten Abschnitt des Tagebaus Garzweiler II zu verzichten, für grundverkehrt hält, ist van den Berg „menschlich enttäuscht und verletzt“ über die Art und Weise, wie diese überraschende Entscheidung herbeigeführt wurde.

Mit ernster Miene schilderte der Bedburger seinen rund 120 Parteifreunden, wie er in Düsseldorf wochenlang vergeblich versucht habe, an Unterlagen für die nächste Sitzung des Braunkohlenausschusses zu gelangen. Der Ausschuss soll Ende April eine Grundsatzbewertung zur energiepolitischen Notwendigkeit von Garzweiler II vornehmen. „In der Staatskanzlei ist man mir immer wieder ausgewichen. Da ist mir allmählich klar geworden, dass offenbar Dinge hinter meinem und den Rücken der anderen Abgeordneten aus dem rheinischen Revier ausgehandelt werden.“

In der SPD-Fraktionssitzung am 18. März habe er nochmals kritisch nachgefragt, was in Sachen Garzweiler laufe, sei aber „abgebürstet“ worden. Als schließlich herausgekommen sei, dass der vierte Abschnitt auf der Kippe stehe, habe er in ungezählten Gesprächen letztlich erfolglos versucht, das Ruder noch herumzureißen. Weitere Einzelheiten wollte van den Berg nicht öffentlich, sondern nur parteiintern ohne Beisein der Presse kundtun. „Es gibt einiges, was ich lieber nicht laut sagen möchte“, so van den Berg.

Immerhin durfte er sich über den Rückhalt der Kreis-Partei freuen. So schloss sich der Parteitag einstimmig einer Erklärung von Guido van den Berg, Dagmar Andres, Brigitte Dmoch-Schweren und drei weiteren SPD-Landtagsabgeordneten aus dem rheinischen Revier an, die das Verzichtsvorhaben als verfrühtes, missverständliches und falsches energiepolitisches Signal kritisieren. Mehrere Redner betonten zudem nachdrücklich, dass die Landesregierung nun in der Pflicht stehe, den anscheinend schneller als erwartet näher rückenden Strukturwandel im Braunkohlenrevier ab sofort deutlich besser zu fördern als bisher geschehen.

Nicht abweichen wollte man mit Blick auf die Kohle auch von den kreispolitischen Leitsätzen zur anstehenden Kommunalwahl. Mit nur wenigen kleinen Änderungen wurde der Programmentwurf unter dem Titel „Unser guter Plan: Für Fortschritt und Zusammenhalt im Rhein-Erft-Kreis“ verabschiedet. Darin wird unter anderem gefordert, zwar nicht um jeden Preis an der Verbrennung der Braunkohle zur Stromerzeugung festzuhalten, die Kohle aber weiterhin in großem Rahmen zu fördern und sie künftig verstärkt als wertvollen Grundstoff für die chemische Industrie einzusetzen.

Dritter Umsiedlungsabschnitt Garzweiler

kommt

Bei der Vorstellung des Parteiprogramms präsentierte sich Guido van den Berg dann wieder als Kämpfer. Der Jamaika-Mehrheit im Kreistag warf er Konzeptionslosigkeit beim Strukturwandel und allen anderen großen Herausforderungen vor. Auch die viel gepriesene Schuldenfreiheit des Rhein-Erft-Kreises sei eine Mogelpackung, weil der Kreis die Kreditaufnahmen für Investitionen vermehrt über privatwirtschaftliche Partnerschaftsmodelle abwickle und sie dadurch aus dem offiziellen Haushalt heraushalte. Auch würden die Städte zu stark durch die Kreisumlage belastet, so van den Berg: „Der Rhein-Erft-Kreis ist kein sparsamer Kaufmann, sondern ein Taschendieb, der sich bei den Kommunen bedient.“

Rosenthal statt Summer

Aus familiären Gründen hat die Bergheimer SPD-Politikerin Silvia Summer ihre Kandidatur für den am 25. Mai zu wählenden neuen Kreistag zurückgezogen. Dadurch wurden sowohl der Bergheimer Wahlkreis 7 als auch der aussichtsreiche Platz vier auf der SPD-Reserveliste frei.

Der Kreisparteitag der Sozialdemokraten in Bedburg wählte die ebenfalls aus der Kreisstadt stammende und dem aktuellen Kreistag bereits angehörende Ute Rosenthal zur neuen Wahlbezirkskandidatin und sprach Rosenthal auch Summers Listenplatz zu.“
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TAGEBAU GARZWEILER II  ( die Grüne Sicht der Entscheidung)
„NRW läutet das Ende des Braunkohle-Bergbaus im Rheinischen Revier ein“

 

 

 

 

NRW-Entscheidung zur rheinischen Braunkohle


 

Versprechen ohne

Sachgrundlage

 

Als „leichtfertiges Versprechen ohne sachliche Grundlage“ bewertet der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, die aktuellen Festlegungen der nordrhein-westfälischen Regierungsfraktionen zum weiteren Braunkohleabbau.

 

Es sind eher die energiepolitischen Illusionen der Grünen als eine verantwortliche Anerkennung der energiepolitischen Realitäten, die den Positionen der NRW-Landesregierung zur Zukunft des Braunkohlenabbau im rheinischen Revier zugrunde liegen“, so Vassiliadis. Weder sei der Ausstieg aus der Kernenergie abgeschlossen, noch seien die immensen Kosten des bisherigen Ausbaus der Erneuerbaren Energien bisher bewältigt. Es sei daher klar erkennbar, dass die Braunkohle noch auf viele Jahre benötigt werde, um eine sichere und bezahlbare Energieversorgung in NRW und ganz Deutschland zu gewährleisten. Dagegen sei völlig unklar, selbst wenn wünschenswert, ob die in Parteiprogrammen und Koalitionsverträgen selbst gesetzten Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren Energien tatsächlich in vorgegebenen Zeiträumen zu realisieren seien.

 

Vassiliadis: „Die Grünen orientieren sich in ihrem Regierungshandeln an Wunschbildern, nicht an der Wirklichkeit. Eine ideologisch konditionierte Energiepolitik wird scheitern, nachdem sie einen hohen Preis gefordert hat.“

 

Der IG BCE-Vorsitzende wirft den Grünen insbesondere vor, „leichtfertig mit den Hoffnungen und Sorgen der Menschen in den Abbaugebieten zu spielen“. Wer heute den Anschein erwecke, die Lagerstätten der Braunkohle wären in Zukunft als deutsche Energiereserve verzichtbar, „der treibt die Menschen nur in ein neues Fegefeuer falscher Erwartungen und ungesicherter Zukunft“.

 

Es gibt aus Sicht der IG BCE keinen Grund, so Vassiliadis, „heute bereits Entscheidungen über Abbaugebiete und Fördermengen vorzugeben, die auf nichts weiter beruhen als auf einer über Jahrzehnte fortgeschriebener Projektion von energiepolitischen Hoffnungen“. Damit gefährde die Landesregierung notwendige Investitionen nicht nur in der Energiewirtschaft. Diese Fehlentscheidung gefährde darüber hinaus gute Arbeitsplätze nicht nur in der Braunkohle, sondern in der nordrhein-westfälischen Industrie allgemein. „Das Vertrauen in die industrie- und wirtschaftspolitische Kompetenz der Politik in NRW hat heute Schaden genommen“, so Vassiliadis.