„Wohnen muss im Rhein-Erftkreis für alle bezahlbar bleiben“

Wohnen im Rhein-Erft-Kreis – Entwurf, Stand 8. Mai 2013 –

Wohnen ist für viele Menschen im Rhein-Erft-Kreis eine Herausforderung geworden. Ursächlich dafür sind unterschiedliche Aspekte, die jeder für sich deutlich machen, dass man den Immobilienmarkt nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen darf, sondern als öffentliche Hand steuernd eingreifen muss.
Weite Teile des Rhein-Erft-Kreises sind auf absehbare Zeit Zuzugsregion. Wohnraum ist knapp und verteuert sich. In den kommenden Jahren fallen erheblich mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung, als neue geschaffen werden. Pro 1.000 Einwohner werden 78 Sozialwohnungen benötigt, schon jetzt sind es nur noch 23. Wohnraum muss für alle Einkommensklassen bezahlbar bleiben. Anreize zum Bau von neuem bezahlbarem Wohnraum gibt es kaum, da das Zinsniveau generell niedrig ist und sich im Verbund mit der hohen Nachfrage nach Wohnraum im Kreis Investitionen im freien Markt mit einem deutlichen höheren Preisgefüge und damit einer höheren Rendite rechnen. Im Rhein-Erft-Kreis wird fast die Hälfte der Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau nicht abgerufen. Dies muss sich ändern. Neue Anreize für den Wohnungsbau müssen entwickelt werden. Eine Grundlage dafür ist, dass ausreichend Grundstücke mit entsprechenden planerischen Festsetzungen zur Verfügung stehen. Einige Städte setzen nach wie vor auf Neubaugebiete mit fast ausschließlich Ein- oder Zweifamilienhäusern. Diese Strategie ist nicht nachhaltig. Die Kinder, die dort aufwachsen, werden später Probleme haben, bezahlbare Wohnungen in ihrer Heimatstadt zu finden, wenn sie ausziehen. Und für die Eigentümer stellt sich das gleiche Problem, wenn sie ihr Haus verlassen müssen oder wollen.
Die Kostenbelastung der Mieter und Eigentümer steigen. Ursachen dafür sind:
– steigende Kaltmieten wegen hoher Nachfrage
– teure Modernisierung des Wohnbestandes, die zu steigenden Mieten führen
– steigende Energiekosten (Strom, Gas, Erdöl, Fernwärme)
– steigende Nebenkosten (Grundsteuer, Wasser- und Abwassergebühren,
Straßenreinigungsgebühren)
– Investitionen in die energetische Gebäudesanierung (selbstnutzende Eigentümer tragen sie
komplett selbst, Mieter zahlen über eine Modernisierungsumlage in Höhe von 11 Prozent der
Kosten auf die Jahresmiete)
– steigende Grundstückspreise bei Neubauten
– steigende Erschließungskosten bei Neubauten
Die Nebenkosten steigen bedingt durch die allgemeine Entwicklung auf dem Energiemarkt an. Energetische Sanierungen stabilisieren oder senken neben ihrer Funktion für den Klimaschutz die Heizkosten, können aber sowohl für Eigentümer als auch für Mieter eine zusätzliche Belastung darstellen, da Investitionen getätigt bzw. auf die Mieten umgelegt werden müssen. Eine umfassende Beratung und von Einzelobjekten losgelöste „intelligente“ Konzepte sind notwendig. Ebenso gezielte Programme mit dem Ansatz, klimaschützende und kostensenkende Sanierungen zu fördern, die aus Sicht des Städtebaus, der Mieter und Eigentümer verträglich sind. Im Rhein-Erft-Kreis könnte das Energie-Kompetenz-Zentrum diese Aufgabe übernehmen.
Die Wohnkosten sind für viele Menschen nur ein Teilaspekt des Problems, dass ihr Einkommen nicht ausreicht. Die Bekämpfung der Altersarmut und die Sicherstellung eines auskömmlichen Einkommens für die Berufstätigen sind deshalb von enormer Bedeutung. Der von der SPD geforderte Mindestlohn und eine auskömmliche Rente sind richtige Schritte.
Zum Schutz der Mieter vor Mieterhöhungen, Verdrängung und ungewollten Sanierungen ist eine Verschärfung des Mietrechts notwendig.
Die Anforderungen an Wohnraum verändern sich. Die Zahl der Einpersonenhaushalte steigt. Die Zahl der Mitbürgerinnen und Mitbürger, die auf barrierefreien (oder in anderer Form ihren persönlichen Bedürfnissen angepassten) Wohnraum zwingend angewiesen sind, ebenso. Dem muss bei Neubauten und in Modernisierungsprogrammen Rechnung getragen werden.
Die Wohnbauflächenpotentiale im Kreis verringern sich. Viele Städte haben sich dagegen entschieden, im gleichen Tempo weiterzuwachsen. Die verbleibenden Potentiale müssen bedarfsgerecht entwickelt werden, nicht marktgerecht. Dabei darf nicht aus dem Blick verloren werden, dass mittelfristig auch im Rhein-Erft-Kreis die Bevölkerungszahlen rückläufig sein werden. Eine umfassende Bestands- und Bedarfsanalyse ist notwendig, durch die Förderprogramme und Bauleitplanungen gezielt gesteuert werden können. Neubauten sollten vorhandene Infrastruktur nutzen und stärken. Dies ist vor allem durch Verdichtungen im Innenbereich möglich. Die zeitgemäße Umnutzung von vorhandenem Wohnraum muss verstärkt angegangen werden, auch über eine Veränderung der Förderlandschaft: weg von der Neubauförderung, hin zur Förderung von Zweitnutzungen. Bei Neubauten müssen von Beginn an künftige Umnutzungen oder gar (Teil-)Rückbauten mitgeplant werden. Ganze Wohnviertel der 60er und 70er Jahre verändern derzeit ihre Bevölkerungsstruktur völlig. Dies muss als Chance begriffen und begleitet werden, gegenbenenfalls auch als ein neues Betätigungsfeld für die Immobilienwirtschaft im Sinne von „Quartiersverwaltung“. Ältere Leute müssen die Möglichkeit haben, wenn möglich im eigenen Haushalt zu verbleiben. Häufig fehlt es dabei an einer zielführenden Beratung über Konzepte, Fördermöglichkeiten usw. für eine altersgerechte Umgestaltung der Wohnung oder des Eigenheims. Im Rhein-Erft-Kreis muss deshalb wieder eine kommunale Wohnraumberatung eingerichtet werden. Ist ein Umzug nicht zu vermeiden, müssen ältere Menschen dabei unterstützt werden, ihre zu groß gewordenen Eigenheime für junge Familien frei zu machen und selber in ihren Bedürfnissen angepassten Wohnungen zu ziehen. Dies fällt leichter, wenn sie in ihrem vertrauten Wohnumfeld bleiben können. Altengerechte Neubauten im Rahmen von Innenverdichtungen sollten deshalb durch planungsrechtliche Zielvorgaben und gezielte Vermarktung kommunaler Flächen gefördert werden.
Sinkenden Bevölkerungszahlen und verändertes Konsum- und Mobilitätsverhalten verhindern, dass vorhandene Infrastrukturen beispielsweise der Nahversorgung, aber auch der ärztlichen Versorgung und des ÖPNV aufrecht erhalten werden können. Gerade auch in ländlicheren Orten mit älterer, dörflicher Wohnstruktur ist es wichtig, vorhandenen Wohnraum zu modernisieren und für Zuzügler sowie Einheimische attraktiv zu machen (auch durch Erhalt und Ausbau der Infrastruktur/ Einkaufsmöglichkeiten) um ein „Ausbluten“ der Orte zu verhindern.
Hier müssen Alternativangebote geschaffen und unterstützt werden, ob in Form von Bürgerbussen, Mobilen Märkten oder vieler denkbarer Initiativen genossenschaftlicher Art.
Für Politik und Verwaltung bedeuten die beschriebenen Ziele und Verfahren nicht immer den einfachsten Weg. Häufig ist ein langer Atem gefragt und es gilt, Widerstände zu überwinden und Überzeugungsarbeit zu leisten. Das ist aber notwendig, um die soziale Ausgewogenheit und das Miteinander zu fördern und Lebensumfelder zu gestalten, in denen sich Menschen unabhängig von ihrer individuellen Lebenssituation wohlfühlen und gut zurechtkommen. Hierbei ist es Aufgabe aller politischen Ebenen, in ihrer jeweiligen Zuständigkeit aktiv zu werden.
Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat die Zeichen der Zeit erkannt und einen „Nationalen Aktionsplan Wohnen und Stadtentwicklung“ angekündigt und damit die Verantwortung des Bundes unterstrichen. Die SPD-Landtagsfraktion hat als Ergebnis der Enquete-Kommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW“ umfangreiche Vorschläge für Initiativen auf Landes- und Bundesebene vorlegen.