Die weltweite Konjunkturflaute hat auch in Deutschland zu wirtschaftlich schwierigen Bedingungen geführt.Die öffentlichen Kassen sind stark angespannt,die Arbeitslosigkeit ist nicht in dem Maße zurückgegangen,wie es die meisten Experten noch in der ersten Jahreshälfte erwartet hatten.
Zwar hat die Bundesregierung mit der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission erste Vor- aussetzungen geschaffen,die Arbeitslosigkeit deutlich abzubauen,dennoch verzeichnen Kranken- und Rentenversicherung in diesem Jahr erhebliche Lücken zwischen Einnahmen und Ausgaben.
So sind in der gesetzlichen Krankenversicherung die Ausgaben sowohl im Jahr 2001 als auch im ersten Halbjahr 2002 wesentlich stärker gestiegen als die beitragspflichtigen Einkommen.Auch wenn die Einnahmen der Kassen erfahrungsgemäß in der zweiten Jahreshälfte wieder stärker ansteigen wer- den,wird das Defizit in diesem Jahr nicht auszugleichen sein.
Ähnliches gilt für die Rentenversicherung.Noch im August 2002 gingen die Prognosen – auf Grundla– ge der Gutachten des Sachverständigenrates und unter Berücksichtigung der Tarifabschlüsse –davon aus,dass die Lohnentwicklung im zweiten Halbjahr 2002 und 2003 deutlich anziehen werde.Damit war auch mit steigenden Einnahmen der Rentenversicherung zu rechnen,die einen stabilen Beitrags- satz ermöglicht hätten.Tatsächlich ist die Einnahmenentwicklung aber deutlich hinter den Prognosen zurückgeblieben.
Die Gesetze zur Beitragssatzstabilisierung
Um die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen und neue wirtschaftliche Impulse zu geben,sind sta- bile Lohnnebenkosten eine zentrale Voraussetzung.Deshalb unternehmen wir große Anstrengungen, die Beiträge zur Sozialversicherung möglichst stabil zu halten.Zusätzliche Lasten,die dabei entstehen, verteilen wir gerecht auf alle Schultern.
Einrichtung einer Expertenkommission für die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme Wir werden eine Kommission einsetzen,die Vorschläge für eine nachhaltige Finanzierung und Weiter- entwicklung der Sozialversicherungen ausarbeiten soll –insbesondere unter Berücksichtigung der ge- rechten Verteilung von Leistungen und Lasten über alle Generationen.Dabei bleibt es unser Ziel,die Lohnnebenkosten so niedrig wie möglich zu halten.
Krankenversicherung: Alle tragen zu stabilen Beiträgen bei.
Um stabile Beitragssätze in der Krankenversicherung zu erzielen,fordern wir von allen Gruppen im Gesundheitssystem einen angemessenen Beitrag –von den Leistungserbringern (Ärzte und Kranken- häuser),den Arzneimittelherstellern,dem Großhandel und den Apotheken sowie von den Krankenkassen und den Versicherten.
Arzneimittelkosten senken
Vor allem bei den Arzneimitteln sind die Kosten in den letzten beiden Jahren überproportional gestie- gen:je Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung von 2000 bis Ende 2002 voraussichtlich um rund 15 Prozent.Dieser Ausgabenzuwachs (2,2 Milliarden Euro in 2001 und rund 1 Milliarde Euro in die- sem Jahr)ist medizinisch nicht zu begründen.
Folgende Maßnahmen zur Senkung der Arzneimittelkosten sehen wir vor:
Teure Analog-Präparate sollen künftig in die Festbetragsregelung einbezogen werden.(Analog- oder auch „Me-too “-Präparate sind pharmakologische Neuentwicklungen,die eine klaren thera- peutische Vorteile gegenüber bereits vorhandenen Medikamenten erkennen lassen und nur einen geringen Zusatznutzen aufweisen.)
Neu entwickelte Medikamente,die wirklich therapeutische Innovationen bedeuten,bleiben hier- von unberührt.Die Innovationskraft der Unternehmen wird nicht geschmälert.Die Anreize werden so gesetzt,dass sich für die Pharmaindustrie vor allem Investitionen in echte Innovationen lohnen.
Auf allen Ebenen des Pharmamarktes –Pharmaindustrie,Großhandel und Apotheken –werden Ra- batte an die Krankenkassen festgelegt.Diese Rabatte sind aufgrund der hohen Umsätze der Phar- maindustrie,der im Großhandel erzielten Rationalisierungseffekte und der – gerade im Hochpreis– Bereich des Arzneimittelmarktes – hohen Apothekenzuschläge gerechtfertigt.
Die Einsparungen der Krankenkassen durch die Rabatte liegen
•bei der Pharmaindustrie bei 420 Millionen Euro,
•beim Großhandel bei 600 Millionen Euro,
•bei den Apotheken bei 350 Millionen Euro.
Darüber hinaus wird durch ein gesondertes Gesetz die Positivliste in Kraft gesetzt.Sie führt zu einer
qualitativen Verbesserung der Arzneimittelverordnung und zu größerer Wirtschaftlichkeit.
Krankenkassen:Verwaltungskosten begrenzen
Bei den Krankenkassen sind vor allem die Verwaltungsausgaben überdurchschnittlich gestiegen.In den letzten fünf Jahren lag der Zuwachs durchschnittlich bei gut drei Prozent.2001 waren es rund fünf Prozent und im 1.Halbjahr 2002 rund vier Prozent.Dabei gibt es gerade hier erhebliche Rationalisie- rungs-und Einsparmöglichkeiten.Die Verwaltungsausgaben sollen im nächsten Jahr auf die Höhe des Jahres 2002 begrenzt werden.
Ärzte und Krankenhäuser:Stabile Ausgaben im kommenden Jahr. Auch die Leistungserbringer des Gesundheitssystems (Ärzte,Zahnärzte,Krankenhäuser)werden zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung einen fairen Beitrag leisten müssen. Für Ärzte und Krankenhäuser wird im nächsten jahr genauso viel Geld zur Verfügung stehen wie in diesem Jahr –ein Euro weniger.Hierdurch wird jeder Vertragsarzt im Jahre 2003 auf durchschnittlich 158 Euro Honoraranstieg pro Monat verzichten müssen.
Dabei sind Ausnahmen – sprich höhere Einnahmen – möglich,,zum Beispiel für Ärzte:
wenn ein Arzt sich an Disease-Management-Programmen für chronische Krankheiten (Diabetes, Brustkrebs)beteiligt und mit den Krankenkassen dafür eine besondere Vergütung aushandelt;
durch Änderungen der Abrechnungsregeln zwischen assenärztlichen Vereinigungen und Kran- enkassen beim sog.Wohnortprinzip önnen die gesetzlichen Krankenkassen in den östlichen Bundesländern zwischen 2002 und 2004 eine sechsprozentige Steigerung der Honorarbudgets er- möglichen,wenn entsprechende Einsparungen in anderen Leistungsbereichen erzielt werden oder die Finanzsituation der Kasse (entschuldet)dies erlaubt.
Für Krankenhäuser gibt es Ausnahmen bei folgenden Fällen:
Unverändert bleibt die Einführung des Fallpauschalsystems ab 2003.Krankenhäuser,die sich an diesem System beteiligen,sind von den Sparmaßnahmen freigestellt.
Unverändert wirksam für die Krankenhäuser im Osten bleibt die Ausgleichsregelung für den Ost- West-Tarifausgleich.Wenn im Rahmen der Tarifverhandlungen eine weitere Angleichung der Ost-/West-Gehälter vereinbart wird –beispielsweise um 3 %–,dann erhält das Krankenhaus diese Steigerungsrate ebenfalls voll.
Auch das neue Förderprogramm zur Verbesserung der Beschäftigungssituation wird in der beste- henden Form weitergeführt.Mit diesem Programm werden für die Krankenhäuser 100 Mio.Euro in 2003 zusätzlich zur Verfügung gestellt.
Solidarbeitrag der Versicherten
Die Versicherungspflichtgrenze wird auf 3825 Euro angehoben.Bereits privat krankenversicherte Arbeitnehmer sind von dieser Anhebung nicht betroffen. Mit dieser Maßnahme soll erreicht werden,dass mehr junge und gesunde gut verdienende Beitrags- zahler in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben.So garantieren wir faire Wettbewerbs- chancen zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung.
Das Sterbegeld wird halbiert.Das Sterbegeld beträgt nun beim Tod eines Mitglieds 525 Euro,beim Tod eines nach familienversicherten Mitgliedes 262,50 Euro.
Beitragssatzstopp für 2003
Die Beitragssätze der Krankenkassen für das Jahr 2003 werden auf das Niveau des Jahres 2002 fest- geschrieben.Ausnahmen werden werden nur in eng begrenzten Fällen –z.B.bei Bestandsgefähr- dung einer Kasse – zugelassen.
Alle Maßnahmen führen zusammen zu einem Einsparvolumen von bis zu 3,5 Milliarden Euro.Alle Gruppen des Gesundheitssystem tragen zu diesem Sparbeitrag bei,ohne dass medizinisch notwendige Leistungen gekürzt oder Kranken höhere Zuzahlungen zugemutet werden.Kein einziges gesundheitspolitisches Sparonzept in der Geschichte der Bundesrepublik hat die erforderlichen Sparmaßnahmen derart ausgewogen verteilt,ohne die solidarischen Grundlagen unseres Gesundheitswesens in Frage zu stellen.Anders als bei
früheren Sparprogrammen wir die Hauptlast dieses Mal nicht den Patienten aufgebürdet.
Perspektiven einer Gesundheitsreform Bei den weiter erforderlichen Reformen des Gesundheitswesens steht fest:Die Grundprinzipien unse- rer solidarischen Krankenversicherung –Solidarität,Sachleistungsprinzip und gleicher Leistungsan- spruch für alle – sind auch für die Zukunft tragfähige Fundamente,,die wir gezielt weiter stärken.
Wir wollen das Gesundheitswesen auf allen Ebenen modernisieren,wir wollen verkrustete Strukturen aufbrechen.Wir wollen mehr Flexibilität und Qualität.Wir wollen,dass sich die medizinische Versor- gung optimal am tatsächlichen Bedarf ausrichtet.
In der ambulanten Versorgung müssen die vertraglichen Freiräume vergrößert werden.Das Vertrags- system zwischen Kassen und Ärztekammern hat sich grundsätzlich bewährt und bleibt bestehen.Da- neben sollen aber künftig verstärkt auch Einzelverträge zwischen Kassen und Ärzten möglich sein.
Die Rolle der Hausärzte als Lotsen im Gesundheitssystem wird weiter gestärkt.Patienten sollen be- sondere Anreize für die Inanspruchnahme des Hausarztes erhalten;der Informationsaustausch zwischen Fach-und Hausarzt soll weiter verbessert werden.Gesundheitszentren werden den niedergelassenen Ärzten gleichgestellt.
Im Arzneimittelbereich wird die Liberalisierung fortgesetzt.So wird die Arzneimittelpreis-Verord- nung auf den Prüfstand gestellt und die Festbetrags-Regelung neu gestaltet.Die Vertriebswege werden neu organisiert.
Die Qualitätssicherung im deutschen Gesundheitswesen wird weiter gestärkt.So soll das „Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin “,eingerichtet werden.Unabhängige Sachverständige werden dort z.B.Behandlungsleitlinien entwickeln,Vorschläge für eine zeitgemäße Fortschreibung des Lei- stungskataloges machen und Kosten-Nutzen-Bewertungen für neue Arzneimittel durchführen.
Rentenversicherung:Starke Schultern tragen mehr.
Um die konjunkturell bedingten –schwachen Einnahmen der Rentenversicherung in diesem Jahr auszugleichen,hat sich die Bundesregierung auf zwei Maßnahmen onzentriert,die einen stabilen Beitragssatz in Höhe von 19,5 Prozent (zur Zeit 19,1 Prozent)ermöglichen.Ohne diese Korrekturmaß- nahmen drohte ein Beitragssatz von 19,9 Prozent,der erhebliche negative Auswirkungen auf Beschäftigung und Arbeitsmarkt gehabt hätte.
Die Schwankungsreserve wird reduziert.
Die Schwankungsreserve ist das Finanzpolster in der Rentenversicherung.Gegenwärtig beträgt sie mindestens 80 Prozent und höchstens 120 Prozent der gesamten monatlichen Renten.Sollte die Min- destschwankungsreserve am Jahresende unterschritten werden,so ist ein Wiederauffüllen im näch- sten Jahr – und damit ein höherer Beitragssatz – vorgeschrieben.
Zukünftig soll dieser Korridor auf 50 bis 70 Prozent der Monatsausgaben abgesenkt werden.Diese Veränderung der Schwankungreserve entspricht einem finanziellen Spielraum in Höhe von 0,3 Bei- tragspunkten.
Es ist sicher gestellt,dass die Rentenversicherung auch weiterhin die Renten pünktlich auszahlen ann,da bei nicht vorhersehbaren Einnahmeausfällen die Möglichkeit besteht,Mittel aus den om- menden Monatsraten des Bundeszuschusses vorzuziehen.Im Übrigen garantiert der Bund nach dem Sozialgesetzbuch ohnehin für die Liquidität der Rentenversicherung.Rentnerinnen und Rentner ön- nen auch künftig sicher sein,dass ihre Rente pünktlich auf ihr Konto überwiesen wird.
Die Beitragsbemessungsgrenze wird angehoben.
Die Beitragsbemessungsgrenze wird in den alten Bundesländern von 4.500 Euro auf 5.100 Euro im Monat angehoben – in den neuen Bundesländern von 3..750 Euro auf 4.250 Euro.
Betroffen hiervon sind rund 1,5 Millionen der insgesamt 28 Millionen rentenversicherten Personen in Deutschland.Diejenigen,die höhere Einkommen erzielen,müssen ünftig mehr Beiträge bezahlen,er- halten dafür aber auch dann höhere Rentenansprüche.
Ein westdeutscher Arbeitnehmer,der 5.100 Euro verdient,muß 67,50 Euro mehr Beitrag im Monat zah- len.Da diese Beiträge aus dem Bruttoeinkommen gezahlt werden,bedeutet dies netto eine Belastung von etwa 40 Euro.
Dies ist ein akzeptabler Beitrag,um zu verhindern,dass alle Beschäftigten einen höheren Beitragssatz zu entrichten haben.Auch Konjunkturpolitisch ist dies sinnvoll,da die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht so stark zurückgehen wird wie bei einer stärkeren Belastung von unteren Einkommensgruppen,die eine hohe Konsumquote aufweisen.
Die Heraufsetzung der Beitragsbemsessungsgrenze ergibt einen weiteren finanziellen Spielraum für den Rentenbeitrg in Höhe von 0,1 Prozent Beitragspunkten.
Auch Rentner und Rentnerinnen tragen ihren Teil bei.
Die Rentenanpassungsformel,die im nächsten Jahr erstmals auch die Aufwendungen für die priva- te Altersvorsorge berücksichtigt,belastet auch die jetzigen Rentnerinnen und Rentner.
Eine willkürliche Aussetzung der Rentenanpassung würde das Prinzip der lohnorientierten Rente ver- letzen und wäre damit Wasser auf die Mühlen derjenigen,die die Rentenversicherung auf eine Grund- sicherung reduzieren möchten.
Wir sorgen für Generationengerechtigkeit
Generationengerechtigkeit heißt für uns:
Den jetzigen Beitragszahlern,dürfen eine Lasten aufgebürdet werden,die ihre wirtschaftliche Lei- stungsfähigkeit übersteigen.
Die Rentenempfänger haben Anspruch auf die Leistungen,für die sie ihrer Beiträge gezahlt haben, und sie müssen am steigenden Wohlstand beteiligt werden. Das heißt:Beiträge der Jungen und Leistungen für die Alten müssen sich auch an den jeweiligen wirt- schaftlichen Verhältnissen orientieren.
Diesem Grundsatz hat die Bundesregierung Rechnung getragen,indem sie mit der Rentenreform 2001 sichergestellt hat:
dass der Beitragssatz bis 2003 nicht über 22%steigt
und dass das Rentenniveau (im Verhältnis zu den Durchschnittseinkommen)67 Prozent nicht unterschreiten soll.
Die Jungen haben nach dieser Rentenreform die Chance,eine private,staatlich geförderte Zusatzrente aufzubauen;die Alten tragen ihren Teil zu dieser Förderung mit geringeren Rentensteigerungen bei.